Münster-Fantasien

Das Berner Münster ist ein faszinierendes Zeugnis vergangener Zeiten und eine lebendige Verkörperung der Geschichte Berns. Die Ursprünge dieses beeindruckenden Bauwerks reichen zurück bis ins 15. Jahrhundert, als die Bauarbeiten im Jahr 1421 begannen. Über fast 150 Jahre hinweg wurde das Münster erbaut und erfuhr dabei verschiedene architektonische Einflüsse und Veränderungen.

Heute morgen, während dem Sonntagsgottesdienst, habe ich mir vorgestellt, wie es wohl vor 300 Jahren an einem Sonntagmorgen in der stolzen Berner Hauptkirche zu- und herging.

1500 Plätze zählt das Münster im Vollausbau. Alle dürften damals besetzt gewesen sein. Im Chor die Chorherren, in den Seitenschiffen die Kirchgemeinderäte, ganz vorne die Patrizier und Würdenträger. Im hinteren Teil die Handwerker, Handelsleute, Familien, das gemeine Volk.

Eingezogen waren die Mitglieder des Grossen Rats, inkl. die Stadtregierung durch die Schulheissenpforte. Die Hebammenpforte im vorderen Teil links musste frei bleiben, damit die Geburtshelferinnen im Notfall ungehindert sowie zügig die Kirche verlassen konnte.

Die Orgel erklang mit voller Wucht, der Pfarrer rief die Gläubigen zu Gehorsam, Glauben und zum Spenden auf. Ohne die finanzielle Unterstützung der Patrizier, Gesellschaften und Zünfte wäre ein Ausbau des Münsters zur heutigen Grösse nicht möglich gewesen. Gedrängt sass man vor 300 Jahren in den Kirchenbänken, sang aus vollen Kehlen die Kirchenlieder und lauschte interessiert der Lesung sowie der Predigt.

Wie anders präsentierte sich die Szene heute morgen: Knapp 100 Gottesdienstbesuchende, verteilt auf das ganze Mittelschiff verfolgten das wöchentliche Ritual. Einige unter ihnen konnten anhand ihrer Rucksäcke als Touristen ausgemacht werden. Pfarrer Conradin Conzetti sprach mit Mikrofon sehr verständlich, nicht bedrohlich, fast zurückhaltend, aber klar im Text. Aus den Orgelpfeifen dröhnte Bach, wie damals. Und am Eingang/Ausgang begrüsste und verabschiedente im rot-schwarzen Mantel der Sigrist die Gläubigen.

Kommentar: Wie sehr haben sich die Welt, die Stadt Bern, das Kirchenleben doch verändert. Nicht nur zu ihrem Vorteil.

2 Gedanken zu “Münster-Fantasien

  1. Vor 300 Jahren hatte Oberrichter P.S. frühmorgens sein Ross gesattelt
    und war ins Berner Umland geritten. – Die Gegend um Muri gefiel ihm
    besonders gut, nichts als Felder, Gehölze und Feuchtwiesen, aber sooo
    romantisch! 1724 spürte man den romantischen Gefühlen allenthalben nach.

    Nun sass er im Münster, als Richter sehr geachtet, denn er urteilte
    stets verständnisvoll und legte zuweilen die Gesetze zugunsten der armen
    Sünder aus. Aber anstrengend war die Tätigkeit als oberster Berner
    Richter doch – und eine Pensionierung konnte er nicht erwarten, das
    gab’s nicht. Immerhin konnte er die „kleinen Fälle“ vom gestrigen
    Markttag seinem /sous-juge/ überlassen. Da er vom Morgenritt noch erhitzt war, spürte er die Kühle des
    ungeheizten Münsters nicht.
    Maja

    1. Frau Maja hat nicht weniger Fantasie als Mr. Slicely. 🙂 Danke für Deinen Beitrag. Da scheint sich ein netter Blog-Dialog zu entwickeln. Bin gespannt, was Du auf meinen nächsten Post schreibst.

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